Die Fachgruppe Sozialwirtschaft befasst sich mit der Theorie und Praxis der Bewirtschaftung sozialer Leistungserbringung, der Gestaltung sozialer Versorgung und der Ökonomie Sozialer Arbeit. Sie erörtert diese Arbeit auf der Handlungsebene von Organisationen, Diensten und Einrichtungen im Spektrum der Sozialwirtschaft bzw. von Unternehmungen in der Gesellschaft zur Beförderung der Wohlfahrt von einzelnen Menschen und des Gemeinwesens. Thematisiert wird die Ökonomie der öffentlichen, sozialen und persönlichen Daseinsvorsorge, ihr Management und das Zusammenwirken der Akteure auf diesem Gebiet. Die Fachgruppe vertritt die Gesichtspunkte der Sozialwirtschaft und ihrer Lehre (Sozialwirtschaftslehre) in der Wissenschaft der Sozialen Arbeit.
Die Fachgruppe kooperiert mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmanagement/Sozialwirtschaft an Hochschulen (BAG SMW) e. V. und der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Sozialmanagement/Sozialwirtschaft (INAS) e. V.
Die Tagung wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmanagement/Sozialwirtschaft an Hochschulen e.V. und der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heidenheim in Kooperation mit der Fachgruppe Sozialwirtschaft als hybride Veranstaltung durchgeführt.
Die Tagung findet am 31. März von 9.30 Uhr bis 16 Uhr statt an der DHBW Heidenheim, Marienstr. 20, 89518 Heidenheim an der Brenz.
Anmeldung bitte bis 14. März 2023 per E-Mail an roman.grinblat(at)dhbw.heidenheim.de
Wendt, Wolf Rainer (Hrsg.): Wohlfahrtsarrangements. Neue Wege in der Sozialwirtschaft. Nomos, Baden-Baden 2010
Wendt, Wolf Rainer (Hrsg.): Sozialwirtschaftliche Leistungen. Versorgungsgestaltung und Produktivität. Ziel-Verlag, Augsburg 2011
Wendt, Wolf Rainer (Hrsg.): Sorgen und wirtschaften. Springer VS, Wiesbaden 2022
Bei ihrem Treffen am 29.1.2014 hat die Fachgruppe Sozialwirtschaft der DGSA Akzente in der Theoriediskussion gesetzt.
Während ein enges Verständnis von Sozialwirtschaft auf die dienstleistenden Unternehmen in ihr fokussiert, ist der Blick auf die Beziehungen zu richten, in denen ein sozialer oder gesundheitsbezogener Bedarf von Sozialleistungsträgern, Leistungserbringern und von informell Beteiligten und Betroffenen erkannt, ausgehandelt, bedient und gedeckt wird. In den Beziehungen der Akteure aufeinander nehmen sie Verpflichtungen wahr und disponieren entsprechend in ihrem Einsatz von Mitteln und Kräften.
Sozialwirtschaftlich wird in Prozessen der Kommunikation und Kooperation gehandelt, durch welche eine „gemischte Produktion von Wohlfahrt“ in den Beziehungen der Beteiligten gestaltet wird. Besondere Beachtung verdient die Regulierung und Steuerung des Geschehens (wie sie in Konzepten von Governance und Sozialmanagement diskutiert werden).
Innovation erfolgt in sozialwirtschaftlichen Kontexten vor allem dadurch, dass neue Wege in der Problembewältigung und Versorgung gebahnt und neue Arrangements mit den Beteiligten getroffen werden.
Zum Thema „Nachhaltiges Managen“ bzw. „Management von Nachhaltigkeit“ wurde von Armin Schneider ein Projekt vorgestellt, in dem Soziale Arbeit sich mit der ökologischen Dimension nachhaltigen Handelns und dessen Förderung in der Jugendtouristik verbindet.
Die Fachgruppe diskutierte bei ihrem Treffen eine Reihe von Publikationen zur Sozialwirtschaft, darunter das „Kölner Journal. Wissenschaftliches Forum für Sozialwirtschaft und Sozialmanagement“, sehr zu empfehlen für die Weiterführung des Theoriediskurses, und das in 2. Auflage gänzlich neue bearbeitete „Lexikon der Sozialwirtschaft“.
Das nächste Treffen der Fachgruppe Sozialwirtschaft ist noch nicht terminiert und wird voraussichtlich im Herbst 2014 stattfinden.
Die Europäische Kommission hat in der Mitteilung „Initiative für soziales Unternehmertum. Schaffung eins ‚Ökosystems’ zur Förderung der Sozialunternehmen als Schlüsselakteure der Sozialwirtschaft und der sozialen Innovation“ – KOM(2011) 682 endgültig – vom 25.10.2011 die Sozialwirtschaft weitgehend mit Sozialunternehmen identifiziert und ihnen zugerechnet
Zwar wird in der Mitteilung auf eine präzise Definition von Sozialwirtschaft verzichtet, inhaltlich sollen den Begriff aber die genannten Unternehmen als „Schlüsselakteure“ erfüllen. Dass dabei die Betonung auf „soziales Unternehmertum“ gelegt wird, ist vor dem Hintergrund der Binnenmarktakte „Gemeinsam für neues Wachstum“ der EU (KOM(2011) 206 endg.) vom April 2011 zu verstehen, die als Leitaktion zum Sozialen Unternehmertum die „Schaffung eines europäischen Rechtsrahmens zur Förderung von Solidarinvestmentfonds, der diesen Fonds die Möglichkeiten des Binnenmarkts erschließt“ vorsieht. Ein erster Beitrag zu der Förderung, die sich die Kommission angelegen sein läst, ist der Vorschlag, ein Gütesiegel über „Europäische Fonds für Soziales Unternehmertum“ einzuführen (KOM(2011) 862 endgültig, vom 7.12.2011).
So begrüßenswert die Förderung von Sozialunternehmen ist, gegen eine Verengung des sozialwirtschaftlichen Horizonts auf dienstleistende Unternehmen bzw. auf soziales Unternehmertum im europäischen Binnenmarkt ist einzuwenden, dass die Unternehmen primär bedarfswirtschaftlich, nicht in einem Markt, sondern in einem sozialpolitisch gestalteten Zusammenhang agieren, in dem der Staat mit dem Einsatz öffentlicher Mittel und die Bürger mit eigenem Engagement die soziale Versorgung wesentlich bestimmen. Mit dem Leistungsangebot von Unternehmen werden in der Sozialwirtschaft größtenteils gesetzliche Aufträge „im allgemeinen Interesse“ wahrgenommen. Bei aller Freiheit auch in privater Initiative und in der möglichst flexiblen Art und Weise, mit der sich selbstständig oder genossenschaftlich und kooperativ ein sozialer Bedarf decken lässt, folgen Sozialunternehmen in der Ausführung von Versorgungsaufträgen doch den Dispositionen, die im Gemeinwesen zur Erbringung von Sozialleistungen getroffen sind.
Die Kommissionsinitiative ist mit Blick auf Finanzierungsmöglichkeiten allseits begrüßt worden – vom Wirtschafts- und Sozialausschuss des Europäischen Parlaments bis zur Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Dabei hat letztere auf eine „weite Beschreibung von sozialem Unternehmertum“ Wert gelegt, während der WSA in seiner Stellungnahme vom 26.10.2011 dazu aufforderte, besser nur den Begriff „soziales Unternehmen“ zu verwenden, denn er schließe das soziale Unternehmertum ein. Sozialwirtschaft indes umgreift beider Geschäft in den Dimensionen des Versorgungsgeschehens und seiner Bewirtschaftung.
Die Rolle und das Innovationspotenzial von Unternehmen in der Sozialwirtschaft werden nicht unterschätzt, wenn man diese Akteure einem Handlungsrahmen zuweist, der sie institutionell und funktional in der sozialen Versorgung und der Bearbeitung sozialer Probleme verortet. Das Geschäft einzelner Unternehmen in diesem Tätigkeitsbereich hängt ab von der ganzen Ökonomie der Aufgabenerledigung in ihm und trägt zu ihrer Bewirtschaftung bei. Die wirtschaftliche Verantwortung, welche die sowohl allgemein zugänglichen Humandienste und ihre Träger als auch die ihre Mitglieder bedienenden Selbsthilfe-, Gegenseitigkeits- und Kooperativ-Organisationen tragen, erschöpft sich nicht in ihrem Betriebserfolg als Unternehmen. Im Bezugsrahmen der Sozialwirtschaft realisieren sie gesellschaftliche Dispositionen zur individuellen und gemeinschaftlichen Wohlfahrt. Sie ist das ökonomische Ziel – in der Ressourcenverwendung insgesamt und im Detail der Leistungserbringung. Sozialunternehmen fungieren als Teilnehmer an einer „gemischten Produktion von Wohlfahrt“. Soziales Unternehmertum mag sch darin auszeichnen und mit kreativen Lösungen zum Aufgabenprogramm beizutragen. Isoliert von ihm und als ein beliebiges Geschäft im Markt übernimmt es keine Verantwortung in der Sozialwirtschaft, und so kann mit ihm in der sozialen Versorgung nicht beständig gerechnet werden. In ihr bleiben die Sozialleistungsträger und die öffentlichen und die frei-gemeinnützigen Organisationen der Wohlfahrtspflege weiterhin die „Schlüsselakteure“ der Sozialwirtschaft. Aufmerksam wird im Interesse sozialer Aufgabenerfüllung zu verfolgen sein, an welchen Stellen und wie sich soziales Unternehmertum in das sozialwirtschaftliche Geschehen einfügt und es innovativ voranzubringen vermag.
„Sozialwirtschaft – unidirektional im Geschäft oder produktiv in Gemeinschaft?“
Am 26. April 2021 fand ein Online-Treffen der Fachgruppe Sozialwirtschaft der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit und der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmanagement/Sozialwirtschaft an Hochschulen statt. An der Veranstaltung nahmen 21 Kolleginnen und Kollegen teil (Reiner Adler, Maik Arnold, Steffen Arnold, Alexander Th. Carey, Marlene-Anne Dettmann, Susanne Dreas, Klaus Grunwald, Roman Grinblat, Martin Klein, Ludger Kolhoff, Michael Mross, Sebastian Noll, Monika Sagmeister, Klaus Schellberg, Armin Schneider, Katrin Schneiders, Herbert Schubert, Bettina Stoll, Wolf Rainer Wendt, Brigitta Zierer, Marc Zimmermann).
Das Treffen begann mit einem Vortrag von Wolf Rainer Wendt unter dem Titel „Sozialwirtschaft – unidirektional im Geschäft oder produktiv in Gemeinschaft?“ Unter dieser Überschrift sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit Sozialwirtschaft in einzelnen Unternehmungen auf sozialem Gebiet besteht oder im Zusammenwirken vieler Akteure gemeinschaftlich gestaltet wird. Auf ein einheitliches Verständnis von Sozialwirtschaft kann sich der Fachdiskurs nicht stützen. Sie wird international unterschiedlich begriffen – auch in einer alternativen Solidarwirtschaft praktiziert – und in Deutschland zumeist nur auf die frei-gemeinnützige Wohlfahrtspflege bezogen. Die EU fördert das „social business“ in Form von Sozialunternehmen „als Schlüsselakteure der Sozialwirtschaft und der sozialen Innovation“. Es gibt Startups in zunehmender Zahl, die in der Sozialwirtschaft gesellschaftlichen Herausforderungen mit Innovationen begegnen wollen. Ihr Beitrag zur sozialen Versorgung bleibt offen. Im Vortrag wurde den unternehmerischen Initiativen die Breite von „common care“ in den Sorgen von Menschen und in den Strukturen ihrer Versorgung gegenübergestellt. Sozialwirtschaft könne in deren Entwicklung begriffen werden – unter vielseitiger informeller und formeller Beteiligung in „sorgender Gemeinschaft“ bzw. in einer „gemischten Produktion von Wohlfahrt“. In der Beteiligung daran erweise sich der soziale Charakter der Sozialwirtschaft, mag sie auch unternehmerisch auf der europäischen Bühne vorangetrieben werden.
An den Vortrag schloss sich eine rege Diskussion an. Es wurden Treiber und Bremser von Innovationen in der Sozialwirtschaft thematisiert.
Zu den Treibern gehören gesellschaftliche Entwicklungen wie die Digitalisierung, die Forderung nach Nachhaltigkeit und die Interventionen der europäischen Union. Thematisiert wurden „social startups“, „social entrepreneur- und intrapreneurship“, „social business“, Hybridisierungen und Möglichkeiten nachhaltiger Entwicklungen, die oftmals nicht im engeren Sinne im sozialen Sektor, sondern an den Schnittstellen zum Bildungsbereich und zur Kunst und Kultur oder zur Architektur und Stadtentwicklung angesiedelt sind. Beispiele sind „tiny houses“ für Obdachlose oder „begrünte Dächer“. Auch Hochschulen können zu Treibern werden und z.B. durch entsprechende Unterstützung bei der Existenzgründung, Innovationen befeuern.
Zu den Bremsern gehören kulturelle Muster der Sozialwirtschaft und der Sozialen Arbeit, aber auch Vergabe- und Abrechnungsstrukturen die Innovationen behindern. Angesprochen werden auch regulierte Koopkurrenzen. (Durch staatliche Rahmenbedingungen werden Kooperationen erzwungen, die dann aber mit Konkurrenzen der Akteure einhergehen.) Hingewiesen wird auch auf lokale und regionale Zuständigkeiten und lokale und regionale Akteurs-Konstellationen, die das Geschehen bestimmen und Innovationen verhindern. Sie sind oft kleinteilig lokal und regional verfestigt und folgen einem „Kirchturmdenken“. In der Folge werden auf der Ebene der operativen Einheiten der Wohlfahrt oftmals Innovationen, die auf höheren Verbandsebenen initiiert wurden, ausgebremst. Dabei sind regionale Unterschiede zu beachten. Während es in Städten wie Wien oder Berlin Leuchtturmprojekte gibt und ein kulturelles Umfeld für „startups“ und Innovationen existiert, ist dies in der Provinz oft nicht der Fall. Weitere Hürden ergeben sich aufgrund des Gegenstandbereichs. Viele Innovation bestehen im Programmieren von Apps. Dies ist nicht die Kernkompetenz der Sozialen Arbeit. Ihre digitale Infrastruktur wird an vielen Stellen als desaströs eingeschätzt.
Die aktuelle Corona Situtation wird als Chance aber auch als Risiko gesehen. Gefragt wird: Was passiert mit dem vielen Geld, das von der EU im Rahmen des Programms „next generation“ zur Verfügung gestellt wird? Was sind die Konsequenzen der enormen Staatsverschuldung? Vermutet wird, dass es in einigen Jahren weniger Geld geben wird und innovative Ideen erforderlich sind, um mit dem geringeren Geld den Anforderungen gerecht zu werden. So wird die Frage der Ressourcenverteilung neue Lösungen bei der Dienstleistungsgestaltung erfordern, wie etwa z.B. die trägerübergreifende Kooperation beim Personal.
Die Diskussion soll auf einer gemeinsamen Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmanagement/Sozialwirtschaft an Hochschulen und der Fachgruppe Sozialwirtschaft der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit zum Thema "Was treibt und was hindert an der Entwicklung der Sozialwirtschaft" fortgeführt werden.
Ludger Kolhoff, Monika Sagmeister, Wolf Rainer Wendt: