Sektionen

Gemeinwesenarbeit

Sprecher_innen

Christoph Stoik, FH Campus Wien
Maren Schreier, OST Ostschweizer Fachhochschule St. Gallen


Kontakt

christoph.stoik(at)fh-campuswien.ac.at 
maren.schreier(at)ost.ch

 

Im Gedenken

Nachruf auf Prof. Dr. Lothar Stock (* 16.07.1955 † 27.07.2024)

 

Demokratie ist eine Lebensweise und nicht eine Formel, die man in Gelee konserviert.“ Saul Alinsky

Unser langjähriger Kollege und leidenschaftlicher Vertreter einer kritischen GWA, Lothar Stock, ist urplötzlich gestorben.

 

Mitten im Urlaub, an einem schönen Tag im Allgäu, einer Wanderung und Bad im See, war sein Leben ganz plötzlich zu Ende“ – schreibt seine Frau in der Traueranzeige.

Wir sind unfassbar traurig, wir können es uns noch gar nicht vorstellen, dass Lothar nicht mehr bei unseren Treffen dabei sein wird … –  Seiner Frau, Angelika Picard, gilt unsere innige Anteilnahme und unser Mitgefühl. Oft sind die beiden zu den Sektionstreffen zusammen angereist und sie war bei den gemütlichen Teilen dabei.

 

Power to the people!
Lothar, dafür hast Du mit Beharrlichkeit, großem Wissen, Humor und Kollegialität gearbeitet.

Als leidenschaftlicher Vertreter einer kritischen GWA hinterlässt dein Tod an vielen Stellen eine große Lücke!

Wir vermissen dich!


Uns ist Lothar so lebendig im Kopf, so mitten drin im Leben und in der GWA sowie im Community Organzing, so leidenschaftlich, offen und kollegial. Er hat bei vielen Sektionsprojekten maßgeblich mitgewirkt und die GWA geprägt.
Lothar Stock war mit seiner Art und seiner Perspektive eine große fachliche und persönliche Bereicherung. Er wurde in der Sektion als unglaublich wertschätzender, herzlicher und kluger Kollege anerkannt.


Lothar Stock beschäftigte sich sein ganzes langes Berufsleben mit GWA und Community Organizing und immer mit Fragen der gesellschaftlichen Spaltung, Armut und sozialpolitischem Ungenügen. So war er nach dem Studium der Erziehungswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/Main (1975 – 1980) fünf Jahre selbst als Gemeinwesenarbeiter in einer Neubausiedlung in Wiesbaden tätig (Mieterberatung, Stadtteilaktivitäten, Arbeit mit ehem. Obdachlosen). Von da aus beteiligte er sich an der Etablierung der Landesarbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte Hessen e. V. die er als notwendige Vertretung der Gemeinwesenarbeits-Praxis im politischen Raum ansah. Als Referent für Soziale Sicherung begann er dann die hauptamtliche Tätigkeit bei der Landesarbeitsgemeinschaft Hessen (1985 ¬– 1991) und war ehrenamtlicher Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen. Schließlich war er von 1991 – 1994 Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte Hessen e. V. Erst jüngst bei deren 50-Jahr-Feier hat er ein Interview gegeben über verschiedene sozialpolitische Ausrichtungen der LAG in der Geschichte (auf der Website der LAG verfügbar geschichte.lagsbh.de/videos/ ). 
Ab März 1999 ging er als Professor für Sozialarbeitswissenschaft an die HTWK Leipzig und promovierte dort zu „Armut im Landkreis Merseburg-Querfurt. Untersuchung zur aktuellen Armutsentwicklung in einem Teilgebiet der ehemaligen DDR-Chemieregion“ (1998). In dieser Zeit aktivierte er sein überregionales Engagement, wurde Vorstandsmitglied im Forum Community Organizing e. V., und arbeitete seither intensiv in der Sektion Gemeinwesenarbeit der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) mit. Soziale Teilhabe war sein Herzensthema, immer verbunden mit der Frage der Bürger_innenorganisation. Er machte sich verdient um die Verbreitung von Community Organizing und die Ideen des amerikanischen Vorkämpfers Saul Alinsky, z.B. auch indem er maßgeblich beteiligt war, dessen Schiften wieder neu aufzulegen und damit auch im neuen Jahrtausend zugänglich zu machen. Über Alinskys spektakuläre Aktionen hinaus sah er Community Organizing als weitverbreiteten Ansatz zur Gestaltung des öffentlichen Lebens durch die Bürgerinnen und Bürger des Gemeinwesens.
Über all die Jahre verbindet uns – die Sektion – ein intensiver fachlicher Austausch. Lothar war im Zentrum der Sektion und immer sehr aktiv. Er hat mit seinen Texten und seinem Engagement die deutschsprachige GWA geprägt wie wenige andere.


Erst jüngst telefonierten einige aus der Sektion mit ihm über die unterschiedlichen Vorhaben, in die er mit anderen zusammen involviert war: Den Aufbau eines Archivs zur GWA, die Publikation eines gemeinsamen Fachbeitrags der Sektion zur Nachhaltigkeit und GWA (erscheint demnächst), Planung einer  übergreifenden Ringvorlesung zu Theorie und Praxis von GWA, ein intensiver Austausch zu den Themen „soziale Bewegungen“ und gemeinwesenähnliche Ansätze in der DDR, und über die 3. Runde der hessenweiten GWA-Weiterbildung, bei der er wie in den ersten beiden Durchgängen den Community Organizing-Teil übernehmen wollte. Seine tiefe Eingebundenheit in die bundesdeutsche GWA zeigt sich auch darin, dass er nach dem bedauernswerten Tod von Dieter Oelschlägel 2019 den Nachruf für diesen zentralen Wegbereiter und Weiter-Entwickler der GWA in Deutschland verfasste.


Wir schätzen – und vermissen schon jetzt – Lothar Stocks Hilfe und Unterstützung in allen Bereichen der Sektion und seine vielfältigen Kontakte und Verbindungen zu Personen und Institutionen. So gilt ein ganz besonderer Dank seiner immer vorhandenen Hilfsbereitschaft. Lothar Stock war immer für die Sprecherinnen ansprechbar, hat viele aus der Sektion stets ohne große Umschweife unterstützt. 
Vor allem aber werden uns seine wachen kritischen Gedanken fehlen, die zum Weiterdenken oder nochmal Innehalten mahnten, zur Nachdenklichkeit aufriefen, wenn wir schon „durch“ waren mit einer Meinung … Er stand dafür, dass unsere Überlegungen nie zu staatstragend und zu sozialarbeiterisch wurden – er hat die Verbindung zur Selbstorganisation von Bewohner_innen und Betroffenen, zu sozialen Bewegungen und zu ungewöhnlichen politischen Aktivitäten immer wieder hochgehalten gegen ein Quasi- Management sozialer Problemlagen im Quartier.

„Schließlich stellt sich aber auch die prinzipielle Frage, inwieweit Soziale Arbeit – und damit auch GWA – in der hierzulande anzutreffenden Verfasstheit sowohl im Hinblick auf ihre generell staatliche Alimentierung als auch in Bezug auf ihre weitgehende Eingebundenheit in ein korporatives Wohlfahrtssystem die Nähe zu sozialen Bewegungen denn überhaupt herstellen kann. Aktions-, Protest- und Widerstandformen, wie diese zuweilen von den angelsächsischen Kolleg:innen praktiziert werden (vgl. radical social work), sind für deutsche Verhältnisse nur sehr schwer vorstellbar.“ (aus Lothar Stock: Gemeinwesenarbeit und soziale Bewegung(en) 2023). Und genau dafür kämpfte er.

Sein Leben, sein Herz brannte für GWA – ohne verbissen zu werden. Dabei hat er Fröhlichkeit und Entdeckerlust ausgestrahlt … und wusste die Gemütlichkeit zu schätzen.

 

Wir sind so dankbar für die gemeinsame Zeit!

Bei unserem nächsten Sektions-Treffen im November 2024 in Mittweida werden wir uns gemeinsam an Lothar erinnern und verabschieden. 


Inhalt

Die Sektion beschäftigt sich mit aktuellen Entwicklungen in der Gemeinwesenarbeit, mit der Aktualisierung von Kernbegriffen und Methoden der Gemeinwesenarbeit und deren didaktischer Vermittlung in der hochschulischen Ausbildung sowie der Fort- und Weiterbildung. Außerdem gehört die theoretische und empirische Auseinandersetzung mit gegenwärtigen sozialpolitischen Rahmenbedingungen der Gemeinwesenarbeit zu ihrem Anliegen. In der Sektion wird, aufsetzend auf fachlichem Austausch und gemeinsamer Analyse projektorientiert und auf konkrete publizierbare Ergebnisse hin gearbeitet.

Die Sektion Gemeinwesenarbeit der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit hat sich im Herbst 2001 aus einer Arbeitsgruppe im Anschluss einer DGSA-Tagung 2004 gegründet. Sie besteht gegenwärtig aus ca. 25 aktiven Mitgliedern, die in der hochschulischen Lehre und Forschung in Deutschland, der Schweiz und Österreich tätig sind, einige sind zusätzlich auch als Praktiker_innen „im Feld“ aktiv.

Die Treffen der Sektion finden zweimal im Jahr statt. Neue aktive Mitglieder sind herzlich willkommen. Die Aufnahme neuer Personen erfolgt nach persönlicher Teilnahme an einem Sektionstreffen und bei Bereitschaft zu aktiver Mitarbeit.

  • 2023 haben Oliver Fehren, Edi Martin und Maren Schreier den Abschlussbericht des mehrjährigen Forschungsprojekts „Gemeinwesenarbeit im deutschsprachigen Raum“ (Link) zu wesentlichen Rahmenbedingungen von Gemeinwesenarbeit (GWA) in Deutschland, Österreich und dem deutschsprachigen Teil der Schweiz online (und kostenlos) publiziert. Der Bericht informiert über sechs mit dem Forschungsprojekt ausgeleuchtete Verankerungsdimensionen von Gemeinwesenarbeit: Vorkommen, Ausrichtung, Bezeichnungen, Träger, Ressortzuordnungen, Finanzierung.

  • 2021 wurde der digitale "Atlas der Gemeinwesenarbeit" (Link) publiziert, der im Rahmen des oben genannten Forschungsprojekts der Sektion Gemeinwesenarbeit entstanden ist. Der auf Selbstdeklaration der Fachkräfte/Einrichtungen beruhende Atlas zeigt Standorte der gemeinwesenarbeitsorientierten Praxis in Deutschland, Österreich und dem deutschsprachigen Teil der Schweiz an.

  • 2013 wurde von Sabine Stövesand, Christoph Stoik und Ueli Troxler das Handbuch "Gemeinwesenarbeit – Traditionen und Positionen, Konzepte und Methoden aus Deutschland – Schweiz – Österreich" (Link) im Verlag Barbara Budrich (Praxis der Sozialen Arbeit, Band 4) herausgegeben.

  • 2010 hat die Sektion den Lehrfilm "GWA In Deutschland – Schweiz – Österreich" (Link) mit einem (Link) erarbeitet. Das Video bietet einen Überblick über die historischen Wurzeln und die wesentlichen Begrifflichkeiten von Gemeinwesenarbeit.

  • 2005 gab eine Arbeitsgruppe der Sektion gesammelte „Erfolgsgeschichten der Gemeinwesenarbeit“ (Link) im Verlag Stiftung Mitarbeit heraus.

Das nächste Treffen der Sektion Gemeinwesenarbeit wird vom Donnerstag, 3. April bis Samstag, 5. April 2025 in St. Pölten (Österreich) stattfinden.