Michelle Mittmann, HAW Hamburg
Kontakt: Michelle.Mittmann(at)haw-hamburg.de
Adrian Roeske, Institut für Informationsmanagement Bremen
Kontakt: aroeske(at)ifib.de
Schriftführer:
Jan Vanvinkenroye, Universität Stuttgart, Technische Informations- und Kommunikationsdienste (stellv. Sprecher)
Kontakt: Jan.Vanvinkenroye@tik.uni-stuttgart.de
Ethische Fragen, Folgen und Herausforderungen der Digitalisierung in der Lehre der Sozialen Arbeit
Die Digitalisierung verändert bereits seit einiger Zeit die Arbeits-, Lebens- und Lernwelten der Menschen und führt somit auch zu neuen Herausforderungen in Disziplin und Profession Sozialer Arbeit. Der Prozess der Digitalisierung geht einher mit anderen sozialen Transformationen, wie dem Klimawandel, globalen Konflikten, Migrationsbewegungen und der Zunahme sozialer Ungleichheit. Es zeichnet sich ein zusätzlicher, neuer und gravierender Einfluss auf die Entgrenzung von bestehenden Normen und Werten auf den sozialen Zusammenhalt ab. Daraus ergeben sich Herausforderungen für die Ethik in der Sozialen Arbeit, die sich sowohl thematisch als auch didaktisch in der Lehre widerspiegeln.
Es bestehen Imperative zur Vermittlung sogenannter „future skills“ an die Studierenden, um die Anschlussfähigkeit an die digitalisierte Arbeit zu gewährleisten. Nicht erst seit der Corona-Pandemie zeigt sich die zunehmende Notwendigkeit, dass der Methodenkoffer der Lehrenden neue und zielführende Formen für digitale Studien- und Prüfungsformate enthalten muss. In der Sozialen Arbeit rückt somit ein Thema, welches bis vor wenigen Jahren im Hintergrund stand, ins Zentrum des fachlichen Diskurses. Digitalisierung und digitalisierte Lehrformate bergen besondere ethische Herausforderungen für die Profession Sozialer Arbeit, mit denen in Hinblick auf eine zukunftsorientierte Qualifikation der Studierenden ein hoher Entwicklungs- und Diskussionsbedarf besteht.
In diesem Rahmen stellen sich die Fachgruppen „Soziale Arbeit in der Lehre“, „Soziale Arbeit und Digitalisierung“ und „Ethik und Soziale Arbeit“ der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit e.V. (DGSA) das Ziel, die inhaltliche Gestaltung des Studiums, die kompetenzorientierte Lehre und die hochschuldidaktischen Formate in Hinblick auf einen durch Digitalisierung dominierten Sozialen Wandel zu diskutieren. Während der gemeinsamen Tagung sollen Werte und Normen hinterfragt und geprüft werden, die uns in Zeiten des digitalen Wandels an den Hochschulen auf unterschiedlichen Ebenen beschäftigen. Darüber hinaus sollen die Beitragenden und Teilnehmer:innen eingeladen werden, ihre Visionen einer zukunftsorientierten Lehre entlang ethischer Kodizes der Sozialen Arbeit zu entwerfen.
Ziele und Fragen der Tagung:
Welche Potentiale und Risiken birgt Digitalisierung für die Teilhabe, insbesondere an Bildung, und für soziale Gerechtigkeit? Wie kann digitale Teilhabe gefördert werden? Welche Möglichkeiten bestehen hinsichtlich digitaler Teilhabe vor dem Hintergrund unterschiedlicher Bildungs- und Medienzugänge auf lokaler und/oder globaler Ebene?
Welche ethischen Chancen und Risiken bieten assistive Technologien, Sozialrobotik und algorithmenbasierte Entscheidungsverfahren in verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit? Und wie können Lehrende, Studierende und Praktiker:innen der Sozialen Arbeit dafür sensibilisiert werden?
Wie können Herausforderungen des Zusammenwirkens von Digitalisierung mit weiteren globalen und gesellschaftlichen Transformationen, wie Klimawandel, Krieg, Flucht, Migration in der Lehre zur Handlungskompetenzförderung zukünftiger Fachkräfte interdisziplinär gestaltet werden?
Welche Auswirkungen hat Anonymität im Netz für die Praxis und die Lehre in der Sozialen Arbeit und welche ethischen Fragestellungen lassen sich diesbezüglich ableiten?
Wie wirkt sich die Immaterialität digitaler Sozialräume auf Arbeits-, Lebens- und Lernwelten aus und wie kann sich die Soziale Arbeit dazu positionieren?
Wie kann ein tragfähiger und vertrauensvoller Beziehungsaufbau in der digitalen Welt zwischen Lehrenden und Lernenden im Studium, aber auch zwischen Sozialpädagog:innen und Klient:innen in der Praxis gelingen?
Welche Kompetenzen müssen Lehrende, Studierende und Praktiker:innen in der sozialen Arbeit innehaben, um den digitalen Wandel mitzugestalten? Kann in diesem Kontext von Medienkompetenzen gesprochen werden oder müsste der Kompetenzbegriff neu gedacht werden? Inwiefern müssen ethische Prinzipien bei der Curriculumentwicklung bzgl. dieser (Medien-)Kompetenzen eine Rolle spielen?
Soziale Arbeit und Digitalisierung
Digitalisierung beeinflusst die Disziplin und Profession Soziale Arbeit transversal. Die Einordnung als gesellschaftspolitischer Begriff stellt in besonderem Maße heraus, in welchen Zusammenhängen (Sozialarbeits-)Wissenschaftler:innen, Sozialarbeiter:innen sowie Sozialpädagog:innen und Adressat:innen digitalen Technologien und den ihnen folgenden Wandlungsprozessen ausgesetzt sind (vgl. Kreidenweis 2018). Arbeit und Freizeitgestaltung nehmen digitale(re) Formen an. Technologien durchdringen soziale Beziehungen – nicht zuletzt durch zunehmend medial geprägte Kommunikationsweisen. Meinungsbildung und das Beschaffen von Informationen erfordern neue Kompetenzen in einer von Algorithmen geprägten digitalen Welt.
Mit Blick auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung konstatieren Seelmeyer und Kutscher, Digitalisierung habe „sich zu einem Querschnittsthema entwickelt und etabliert, das heute – ähnlich wie beispielsweise Genderfragen – nicht nur in Spezialdiskursen verhandelt, sondern in den unterschiedlichsten Themenzusammenhängen mit aufgegriffen wird“ (2021, S. 23, Hervorh. i. O.). Eine reflexive Auseinandersetzung mit dem Thema stünde jedoch weitestgehend noch aus (vgl. ebd., S. 17).
Mit Blick auf den digitalen Wandel möchte die Fachgruppe sowohl gegenüber den Mitgliedern sowie anderen Fachgruppen, als auch darüber hinaus als Ansprech- und Kooperationspartnerin sowie als ein Ort der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und Reflexion in Belangen der Digitalisierung in der Sozialen Arbeit zur Verfügung stehen. Als einer der wesentlichen Schwerpunkte der Fachgruppe gilt die Bündelung und – daran anknüpfend – das Vorantreiben der Fortschritte im Zuge der curricularen Verankerung digitaler Kompetenzen in Studiengängen der Sozialen Arbeit.
Literatur:
Das Thema "Digitalisierung" beeinflusst Soziale Arbeit maßgeblich - konkret betrifft das die Adressat*innen Sozialer Arbeit, die Sozialwirtschaft sowie die darin tätigen Sozialarbeiter*innen / Sozialpädagog*innen und nicht zuletzt die Profession als solche. Dies geschieht transversal und auf allen Ebenen – von der Praxis bis zur Theorie. Dabei verständigen sich in unserer Wahrnehmung alle auf den fortwährend gleichen Dualismus: Auf der einen Seite geht es um das Erschließen und gegebenenfalls Verändern von Handlungsspielräumen, da Digitalisierung mehr Möglichkeiten für die benannten Anspruchsgruppen schafft. Auf der anderen Seite gilt es (an)zuerkennen, dass Digitalisierung Risiken produziert, die – ebenso transversal – potentiell zu mehr Problemen führen. Mit Blick auf die Disziplin und Profession Sozialer Arbeit möchte die Fachgruppe "Soziale Arbeit und Digitalisierung" gegenüber der Fachöffentlichkeit eine differenzierte Position beziehen und innerhalb sowie außerhalb der DGSA als wissenschaftliche Fachgesellschaft das Thema Digitalisierung thematisieren, reflektieren und Stellung zu unterschiedlichen Entwicklungen beziehen. Um auch herauszubilden, auf welche Definition von „Digitalisierung“ wir uns im Zusammenhang von „Sozialer Arbeit“ verständigen, setzt sich die Fachgruppe u.a. mit folgenden Fragen auseinander:
Als ein wesentliches Element der Gestaltungsmacht innerhalb der Profession der Sozialen Arbeit sehen wir das Befähigen der Studierenden der Sozialen Arbeit an. Hierzu ist eine Begleitung der Anpassung des Kerncurriculums hinsichtlich erweiterter Kompetenzrahmen durch die Fachgruppe „Soziale Arbeit und Digitalisierung“ denkbar. Ergänzend werden wir die insbesondere durch die Corona-Krise vorangetriebenen Kompetenzen im Bereich „Digitales Lehren und Lernen“ systematisierend in den Blick nehmen und ihre Relevanz für die DGSA aufarbeiten. Ein partizipatives und kollegiales Vorgehen ist hierfür ein zentraler Baustein. Regelmäßige Treffen im On- und Offline-Format sind dafür rahmend.
November 2023: In Kooperation mit den Fachgruppen Ethik und Lehre hat am 24. November die gemeinsame Tagung unter dem Titel "Wie und was wollen wir in 2023 lehren?" stattgefunden. Mit knapp 90 Teilnehmenden in Präsenz und 30-40 Personen, die digital mitgewirkt haben, gab es einen spannenden Austausch.
April 2023: Das Frühjahrstreffen drehte sich um die Vorbereitung der LED23-Tagung. Außerdem gab es eine Vorstellung des interdisziplinären Digitalisierungskollegs "digi.prosa" sowie einen Erfahrungsaustausch zu Pflicht-Praktika während der Pandemie.
Herbst 2022: Das Herbsttreffen der Fachgruppe stand im Zeichen des Themas "Doing Digitality", bei welchem Prof. Dr. Marc Weinhardt (Universität Trier) einen Input beigesteuert hat und sich in Folge intensiv über das Thema ausgetauscht wurde.
April 2022: Das Frühjahrestreffen der Fachgruppe fand am 22. April 2022 hybrid an der TH Köln statt. Inhaltlich drehte sich das Treffen um Medienkompetenz / digitale Kompetenz / informationstechnische Bildung sowie Blended Counseling, die Inputs kamen von Julius Späte (FH Potsdam) und Dr. Claudia Roller (TH Köln).
Februar 2022: Die Fachgruppen "Soziale Arbeit und Lehre", "Ethik und Soziale Arbeit" sowie "Soziale Arbeit und Digitalisierung" treffen sich zu einem informellen Austausch und beraten, an welchen Stellen es Überschneidungen in der inhaltlichen Arbeit geben könnte.
Herbst 2021: Die Fachgruppe trifft sich zum Herbsttreffen, inhaltlich wird vor allem das Thema Curriculumsentwicklung diskutiert. Eine Geschäftsordnung wird außerdem vorschlagen, diskutiert und soll im nächsten Schritt als Code of Conduct umgesetzt werden.
Februar 2021: Im Blog der DGSA werfen wir einen Blick auf die Genese und das Anliegen der Gruppe. Unter dem Titel "DGSA wird um Fachgruppe „Digitalisierung und Soziale Arbeit“ ergänzt" wirft Adrian Roeske einen Blick auf die anstehende Arbeit der Fachgruppe und geht dabei auch auf die corona-bedingten Herausforderungen im Gründungsprozess ein.
Januar 2021: Im Newsletter 1/2021 werfen Michelle Mittmann und Joachim Rennstich einen Blick auf das Thema Digitalisierung und die Themen, die im Rahmen der Arbeit in der DGSA interessant werden dürften:
https://www.dgsa.de/fileadmin/Dokumente/Newsletter/Newsletter_DGSA_1_21.pdf
Die Fachgruppe ist im Oktober 2020 gegründet worden, zu den "Gründungsmitgliedern" zählen Michelle Mittmann, Jan Vanvinkenroye, Joachim Rennstich, Gabriele Janlewing, Vera Taube und Adrian Roeske. Unter dem Hashtag #DiGSA kommuniziert die Gruppe auf den gängigen Social Media-Kanälen über die Arbeit der Gruppe.
Am 08. Dezember 2023 findet in der Zeit von 14-16 Uhr das diesjährige Herbsttreffen der Fachgruppe statt. Wir werden an die LED23-Tagung anschließen und auch über die Arbeit in der Medienkompetenz-AG sowie der KI-AG sprechen. Eine Anmeldung ist nicht notwendig, das Treffen findet digital statt. Bei Rückfragen gern an die Sprecher:innen der Gruppe wenden.
Interessierte sind außerdem immer herzlich eingeladen! Wir haben hierfür eine DFN-Liste eingerichtet, die regelmäßig mit Infos bespielt wird. Nähere Infos gibt es auch direkt bei den Sprecher*innen der Gruppe, Anfragen gerne per E-Mail, eine Eintragung auf die Liste kann auch selbstständig erfolgen. Zur DFN-Liste geht es über folgenden Link: https://www.listserv.dfn.de/sympa/info/digsa